Gyroskopisch gelagertes Gimbal wie bei den echten Helis

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Santa Matze

Erfahrener Benutzer
#1
am WE wieder eine geile Doku gesehen "Die Alpen von oben" bei der atemberaubende, mit langen Brennweiten aufgenommene Filszenen aus fliegenden Helikoptern gezeigt wurden. Das Bild war selbst bei max-Zoom rock solid. Kein einziger Wackler drin.
Wie sind solche Kameraaufhängungen eigentlich konstruiert? Ich nehme mal an über mechanische Gyroskope denn die Kamera-Kugeln unter den Helis sind ja nicht gerade klein. Hat sich schon mal jemand Gedanke darüber gemacht solch ein Gimbal auch für einen Kopter zu konstruieren? Ein dickes Kameraschiff mit 10-15kg Gewicht kann ja einiges an Payload schleppen. Mich würde einfach mal die Konstruktion und die Technik im Detail interessieren.

Gruß
Matthias
 

AndreasL90

Erfahrener Benutzer
#2
In solchen Systemen, wie z.B. der Cineflex Gimbal, ist einfach deutlich präzisere Technik verbaut, als in unseren "amateurhaften" (im Gegensatz dazu) BL Gimbals.
Bei Spitzenmodellen im militärischen Bereich, wie z.B. für HALO und einige MALE UAVs, kann eine Stabilisierung im Bereich von wenigen µrad (z.B. 5 µrad !!) Genauigkeit erreicht werden. Sowas kostet dann schnell über 1 Mio. USD.
Prinzipiell kann dieser Grad an Stabilisierung mit mehreren "Stabilisierungsebenen" erreicht werden, die jeweils einen gewissen Frequenzbereich von Vibrationen herausfiltern oder Schock dämpfen. Eine solche Ebene ist die Stabilisierung mittels Aktuatoren. Da wird häufig ein Bewegungsfreiheitsgrad durch mehrere koaxiale Aufhängungen stabilisiert; ich hab schon Systeme mit bis zu 3 (!) Aufhängungen pro Achse gesehen. Die besitzen dann jeweils auch einen Aktuator. Der muss auch nicht kontinuierlich drehbar sein - für feine Korrekturen reichen sogenannte LATs ("Limited Angle Torque Motor").
Die Sensorik ist auch sehr wichtig. Vergleich mal die Daten von MEMS und FOG (Fiber Optic Gyros) oder Ring Laser Gyros miteinander (random walk, drift, etc. über die Zeit). Dann wird auch Einiges klar, denn letztere werden in teuren präzisen Systemen ausschließlich eingesetzt. ;) Die Firma KVH stellt da ein paar nette Sensoren her, die auch recht kompakt sind, aber - wenn man mal nachfrägt ;) - deutlich im mittleren 4-stelligen USD-Bereich rangieren.
Daneben sind, wie beim BL-Gimbal auch, die Masseverteilung wichtig. Aber hier wird nicht nur statisch, sondern auch dynamisch ausgewuchtet. Deviationsmomente im Trägheitstensor sind bei unseren Hobby-Gimbals schwer zu beseitigen, bei hochqualitativen Systemen ist es sehr wichtig, dass diese eliminiert werden.
....
(Hab über so ein Teil eine Studienarbeit geschrieben... ;) )
 

Santa Matze

Erfahrener Benutzer
#3
Danke Andreas für die ausführliche Antwort. Ich bin überzeugt dass dies der nächste oder übernächste Schritt sein wird - natürlich abgespeckt und weniger genau (man muss ja keinen Trackings-Laser damit steuern) aber das wird kommen. Gerade die Entkopplung mittels dieser Technik ist sehr interessant. Vor allem wenn man sich vorstellt was für heftige Vibrationen bei einem normalen Heli vorhanden sind.

Gruß
Matthias
 

AndreasL90

Erfahrener Benutzer
#4
Gerne... :)
Also ich glaube, dass wir sobald keine FOGs und dergleichen im Consumerbereich sehen werden (evtl. mal in Zukunft, ja). Aber durch die Entwicklungen, beispielsweise im Bereich von Smartphones oder Hobby-UAVs, ist die MEMS Technologie in den letzten Jahren sehr vorrangeschritten und ich denke, dass es da weitere große Schritte geben wird.
Die Frage wird auch sein, in wie weit man so genau stabilisieren muss, denn auch die softwareseitige Bildstabilisierung wird immer besser. Im Extremfall könnte man das auch vollkommen elektronisch machen. Siehe Parrot "Bebop", da ist das so umgesetzt, dass man mit einer Fisheye Linse ohne Aktuatoren - rein mittels Software - um 180° schwenken kann.
Mehrere Achsen machen mM nach auch kaum Sinn, weil wir so nah an unseren POIs fliegen, dass kein astronomisch hoher Zoom - und damit bessere Stabilisierung - erforderlich ist. Wäre aber mal ein interessantes Projekt! :) Ein perfekt konzipierter- und eingestellter BL-Gimbal ist heute schon sehr sehr gut. Wo ich noch Verbesserungspotential sehe ist bei den Aktuatoren. Man könnte da beispielsweise an "skewed lamination" Statoren denken oder andere Techniken, um das Rastmoment von den Motoren zu minimieren... Man könnte sie auch flacher und leichter bauen, als momentan. Es sind hald immernoch umgewickelte BL-Motoren aus der Antriebstechnik im Modellflug, auch wenn einige schon Schleifringe oder Hohlwellen haben. ;)
 

Santa Matze

Erfahrener Benutzer
#5
ich denke schon dass gerade im Bereich Überwachung (und ich meine jetzt nicht das Militär) durchaus Bedarf bestünde. Dort kann man nicht mit einem Fischauge operieren, dort braucht man schon einen guten Zoom und ein entsprechend sauberes Bild. Und wo heute bei wahrscheinlich 10x Zoom einigermaßen Schluss ist könnte es dann da erst los gehen...
Aber wie gesagt, nur meine Meinung. Ich würde es jedenfalls begrüßen wenn es auch vernünftige Lösungen geben würde, die natürlich auch Geld kosten, parallel zu den 0815 Lösungen wie dem Fischauge und einem mini-Sensor hinten dran.
 
#6
Finde das Thema auch äußerst interessant.
Hier ein Video, wo man ein bisschen mehr von der Technik des cineflex sieht:

http://youtu.be/otY2qe2T_Nw

Und hier mal eins mit sehr großen Brennweiten 😉

http://youtu.be/9P1xEQUPU28

Die Lagerung der Roll Achse haben die schon sehr gut gelöst.
Wie es aussieht ist um das objektiv ein großes Kugellager herum, sodass sich die Cam inclusive Objektiv immer um den Nodalpunkt (Mitte des objektives) dreht.
Die Nick (Tilt) Achse wird per Getriebemotor gedreht und der Drehwinkel wird mit einem Messwertaufnehmer am Getriebe direkt abgegriffen.
 
#7
Kenyon Gyro bietet seit Jahrzenten Gyro-Stabilizer für Kameras an. Die Dinger sind sehr schwer, brauchen viel Strom und werden so heiß, dass die größeren Modelle gekühlt werden müssen. Einfach zu bändigen sind diese Systeme auch nicht, da man immer gegen das Trägheitsmoment ankämpfen muss, wenn man die Kamera schwenken will.

 

paderborn

Erfahrener Benutzer
#8
Mit Gyro-Stabilisatoren haben wir mal im dichten Gedränge in der U-Bahn gedreht. Das war super. Das war 2010 und die waren ziemlich laut, keine Ahnung, ob das heute besser geht.

Mehrere Achsen machen mM nach auch kaum Sinn, weil wir so nah an unseren POIs fliegen, dass kein astronomisch hoher Zoom - und damit bessere Stabilisierung - erforderlich ist.
Je nach Größe der Produktion ist es aber natürlich schon schön, wenn die Technik nicht die Bildgestaltung vorgibt.
In einem Film, der vielleicht konzeptionell mit langen Brennweiten arbeitet, will man die auch bei den (bezahlbaren, weil nicht Heli) Flugaufnahmen beibehalten, wenn möglich
Das ist immer eine Frage von Kosten/Nutzen. Wenn es das einmal gibt, dann ist die Nachfrage bestimmt da.

Die Frage wird auch sein, in wie weit man so genau stabilisieren muss, denn auch die softwareseitige Bildstabilisierung wird immer besser.
Dito. Im Idealfall hat man das perfekte Bild aus der Kamera und kann den Spielraum dann in der Postproduktion für andere Dinge nutzen. Und Unschärfen im Einzelbild bekommt man nicht wegstabilisiert...
 
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