MODELLBAU Mitarbeiter werden gekündigt / „Alle Kassen sind leer“ / Schwere Anschuldigungen an den Geschäftsführer
METZLOS-GEHAAG - Metzlos-Gehaag. Sie hofften bis zum letzten Moment, doch am Dienstag wurden alle Hoffnungen endgültig zerschlagen: In einer Betriebsversammlung wurde den Beschäftigten des Unternehmens Robbe Modellsport mitgeteilt, dass Anfang Mai das Insolvenzverfahren eingeleitet wurde. Die Verhandlungen mit dem Investor waren gescheitert. Das heißt nun, dass bis zum Ende des Monats alle Geschäfte abgewickelt sein müssen und der Betrieb geschlossen wird. Der Insolvenzverwalter Mirko Lehnert strebt eine „kleine Sanierungslösung“ an, der der Betriebsrat allerdings nicht viele Chancen einräumt. „Das ist natürlich ein ganz schöner Hammer“, erklärt Alwin Hoffmann, Vorsitzender des Betriebsrats von Robbe, im LA-Gespräch. „Das wird viele Kollegen, die jahrzehntelang hier gearbeitet haben, sehr hart treffen.“ Und was die kleine Lösung betrifft, sähen er und seine Kollegen keine Möglichkeit, es sei denn, jemand bringe doch noch finanzielle Mittel ein. Stellvertretend für den gesamten Betriebsrat erhebt er außerdem schwere Vorwürfe in Richtung Geschäftsführer und Eigentümer.
1981 war Robbe in den Besitz von Wolfgang Schwarzhaupt und der Schwarzhaupt-Gruppe Köln übergegangen. Seit dieser Zeit hat es 13 oder 14 wechselnde Geschäftsführer für den Betrieb gegeben – an die genaue Anzahl kann sich der Betriebsrat gar nicht mehr erinnern. Zuletzt, Anfang vergangenen Jahres, war außerdem noch eine namentlich nicht genannte Investorengruppe eingestiegen, die nach eigener Aussage bereits mehrere Beteiligungen an mittelständischen Technologieunternehmen hielt und neben dem bisherigen Eigentümer Anteile an der Robbe Modellsport GmbH & Co. KG übernahm. Diese Investorengruppe setzte damals Philip Janssen als Geschäftsführer ein.
ZUR INSOLVENZ
„Kleine Sanierungslösung für Robbe angestrebt“, verkündet Insolvenzverwalter Mirko Lehnert gestern in einer Pressemitteilung. Für das insolvente Modellsportunternehmen werde jetzt nach einer Möglichkeit gesucht, bei der nur einzelne Betriebsteile und Werte übernommen würden. Dazu will Insolvenzverwalter Mirko Lehnert mit ausgewählten Vertriebs- und Servicemitarbeitern die Kunden und Märkte weiter bedienen. „Am Ende eines breit angelegten Investorenprozesses wurden intensive Gespräche mit einem Investor geführt, der Robbe nahezu vollständig übernommen hätte. Das Land Hessen sicherte hierfür sogar kurzfristig eine Bürgschaft zu. Aber der hohe Finanzierungsbedarf konnte nicht sichergestellt werden. Das Geschäftsmodell von Robbe erfordert nämlich eine hohe Vorfinanzierung, um die Lieferfähigkeit zu erhalten“, bilanziert Lehnert. Er bemühe sich, mit anderen interessierten Investoren eine Auffanglösung zu erreichen. „Eine uneingeschränkte und vollständige Fortführung mit allen Mitarbeitern ist nach Insolvenzeröffnung leider nicht möglich.“ Lehnert bedauert es sehr, dass es nicht möglich sein werde, alle rund 100 Arbeitsplätze bei Robbe zu erhalten. „Das ist ein herber Verlust für die Region. Wir bemühen uns um die Beschäftigung möglichst vieler Mitarbeiter. Kündigungen sind noch nicht ausgesprochen.“
„Philip Janssen hat den Betrieb innerhalb eines Jahres an die Wand gefahren“, erklärt Alwin Hoffmann. „Er war von Anfang an unehrlich mit den Beschäftigten und dem Unternehmen selbst.“ Schon als der Vertrieb im vergangenen Jahr nach Hanau ausgesiedelt wurde, habe Janssen den Betriebsrat nur telefonisch davon in Kenntnis gesetzt. Auf die Forderung Hoffmanns, dass solche Entscheidungen persönlich von Angesicht zu Angesicht am Verhandlungstisch besprochen werden müssten, habe Janssen ihm Gesprächstermine am Flughafen Düsseldorf und am Flughafen Frankfurt angeboten. „Ich habe weiter darauf gedrängt, dass so etwas mit dem gesamten Betriebsrat besprochen werden müsste, da wir darin eine Gefahr für den Standort im Vogelsberg sahen.“ Daraufhin habe Janssen versucht, Mitarbeiter unter einer anderen Firmierung nach Hanau zu versetzen und habe sich erst, nachdem er selbst einen Verbandsanwalt beauftragt habe, darüber belehren lassen, dass auch das mit dem Betriebsrat besprochen werden müsse. „Wir haben dann einen Interessenausgleich geschlossen, in dem festgehalten wurde, dass der Betriebsrat nur zustimmt, wenn es für den Standort in Metzlos-Gehaag eine Standortgarantie gibt. Diese wurde bis zum 31. Dezember 2019 zugesichert. Unterschrieben hat allerdings nicht Janssen selbst, sondern einer seiner Prokuristen. Wahrscheinlich war ihm damals schon alles egal, oder er wusste schon, dass das nicht funktionieren wird.“
Janssen habe zudem nie Kontakt mit dem Betriebsrat gesucht, um ihn über die wirtschaftliche Situation auf dem Laufenden zu halten – etwas, was er rein rechtlich hätte tun müssen, wie Hoffmann erklärt. Philip Janssen habe noch nicht einmal ein Büro bei Robbe gehabt.
„Bei alledem will ich nicht verschweigen, dass es einem Geschäftsführer nicht gelingen kann, in einem Jahr einen Betrieb so runterzuwirtschaften, ohne dass ihm jemand zuguckt“, betont Hoffmann und spielt auf die Schwarzhaupt-Gruppe und die anderen Gesellschafter an, die Janssen offensichtlich hätten gewähren lassen. „Das Geld wurde nur so rausgepfeffert, ohne dass die Auftragszahlen stiegen“, betont der Betriebsratsvorsitzende. Horrende monatliche Mieten für die Geschäftsräume in Hanau, überflüssige Änderungen des Logos, oberflächliche „Aufhübschung“ der Firma von außen. „Herr Janssen hat für sich und seine Co-Berater zwischen eins und zwei Millionen Euro aus der Firma rausgezogen. Es wurde eine schillernde Seifenblase aufgebaut, die einfach irgendwann platzen musste.“ Schon seit Jahren, fast 20 Jahre sei er im Betriebsrat gewesen, habe er auf Missmanagement immer wieder hingewiesen. „Doch da war ich wie der Rufer in der Wüste. Uns hat niemand Glauben geschenkt, und das bringt einen zur Verzweiflung.“
Janssen sieht das anders: Angeblich, so hatte er auch gegenüber dem LA betont, seien es überraschende finanzielle Altlasten gewesen, die die Firma letztendlich ins Trudeln gebracht hätten. „Dass die Altlasten überraschend sind, ist glatt gelogen“, klärt Hoffmann auf. Diese Kreditverpflichtung sei schon 2013 Grund für eine Entlassungswelle gewesen. „Meiner Meinung nach hat es Herr Janssen einfach unterlassen, sich gegenüber dem Kreditinstitut rückzahlungswillig zu zeigen.“ Noch auf der Weihnachtsfeier in Hanau habe Janssen zudem von einer Investition in Höhe von einer Million Euro gesprochen, die von der Schwarzhaupt-Gruppe käme. Was aus diesem Geld, falls es überhaupt gekommen sei, geworden ist, wisse niemand. Für die Reduzierung der „Altlasten“ sei es auf jeden Fall nicht verwendet worden. „Kein Kredit wird von heute auf morgen zurückgefordert. Da wurden Ankündigungen der Bank einfach ignoriert“, vermutet Hoffmann.
Gescheitert ist die Rettung von Robbe nun an den missglückten Verhandlungen zwischen dem potentiellen Investor und der Sparkasse Oberhessen. Alwin Hoffmann erklärt: „Die Sparkasse ist im Grundbuch bereits als Schuldner eingetragen. Als Herr Janssen nun mit dem Vorschlag, manche Mitarbeiter nach Hanau zu versetzen, zu ihnen kam, wurde ihm von Seiten der Sparkasse die Zusammenarbeit gekündigt. Wie wir wissen, hat Herr Janssen dies ignoriert und ist trotzdem nach Hanau gegangen. Nun suchte der Insolvenzverwalter mit dem neuen Investor eine Hausbank. Die Sparkasse lehnte aber weiterhin ab.“ Spitz und Knopf habe alles in diesem Moment gestanden. Doch in Zusammenarbeit mit vielen Politikern auf Kommunal-, Kreis-, Landes- und Bundesebene sowie der Gewerkschaft IG Metall sei die Bank wieder für Gespräche bereit gewesen. Sogar eine Landesbürgschaft über 80 Prozent – üblich sind eigentlich maximal 60 – sei von allen gemeinsam erreicht worden. „Als dann die Sparkasse in einem Gespräch forderte, dass der Investor ein genauso großes finanzielles Risiko trage wie sie selbst, war der Investor nicht mehr bereit, einzusteigen“, so Hoffmann, der auch Verständnis für diese Entscheidung der Bank aufbringt. „Die hätten es lieber gesehen, wenn ein größeres finanzielles Engagement als Bekenntnis zur Region geflossen wäre und Robbe nicht nur als spekulatives Objekt benutzt wird.“
„Die Mitarbeiter haben sehr viel Herzblut und Initiative in das Unternehmen gesteckt. Alle Einschnitte mitgetragen, nicht nur auf Gehaltserhöhungen verzichtet, sondern auch Gehaltseinbußen hingenommen“, klagt Alwin Hoffmann. „Dieser Verzicht begleitet sie solange, bis der Sargdeckel zugeklappt wird“, spielt er zudem auf die nun folgenden niedrigeren Arbeitslosengelder und die späteren niedrigeren Renten an. Viele hätten 20 oder 30 Jahre für Robbe gearbeitet. Von den einst über 320 Mitarbeitern seit der Übernahme der Schwarzhaupt-Gruppe seien noch knapp 100 übrig. Das Durchschnittsalter der Belegschaft betrage 47 Jahre. „Und jetzt sind alle Kassen leer. Die Gehälter werden vom Insolvenzverwalter aufgebracht, daher drängt die Zeit, das Unternehmen möglichst schnell abzuwickeln“, so Hoffmann. „Wir haben mit der Unterstützung vieler Menschen, für die ich an dieser Stelle danken möchte, bis zum Schluss gekämpft.“
Was Alwin Hoffmann umtreibt: „Dem Unternehmen an sich ging es nicht schlecht. An die Wand gefahren wurde es durch das Desinteresse des Eigentümers. Hier sind in den vergangenen 30 Jahren viele Millionen verheizt worden – immer zu Lasten der Beschäftigten. Es wurden auch viele Millionen reingebuttert, doch bei den Mitarbeitern ist nicht das Geringste angekommen.“ Das sei eine Tendenz, vor der er generell warnen wolle: „Solche Entwicklungen, wie gerade auch bei STI, sorgen für einen großen Dominoeffekt, von dem alle Bürger betroffen sein werden. Angefangen bei geringerer Kaufkraft über fehlende Ausbildungsplätze, geringe Klassenstärken in den Berufsschulen bis hin zu den Wassergebühren, die mit einem Wegfall des Robbeverbrauchs für alle anderen steigen können. „Die Bevölkerung muss wachgerüttelt werden. Niemand darf sich für eine längere Zeit in einem Betrieb sicher fühlen, der im Wesentlichen von ortsfremden Leuten ohne Beziehung zu den Menschen fremdgesteuert wird.“ Eine Ideenschmiede in der Region, in der alle Mandatsträger, Unternehmer, Arbeitnehmervertretungen, Handelskammern und Politiker vertreten sein sollten, um das „weitere Ausbluten des Vogelsbergkreises zu verhindern“, sei dringend nötig. „Das ist man dem Erhalt der Region schuldig. Man sollte nicht einfach tatenlos zusehen.“
Nachgefragt
Janssen: „Völlig falsche Zahl“
„Das ist schon stark, was da erzählt wird“, reagiert Philip Janssen, konfrontiert mit den Vorwürfen des Betriebsrates. Zu der Summe, die er und seine Mitarbeiter „rausgezogen“ hätten, erklärt er: „Das ist eine völlig falsche Zahl, doch darüber sprechen wir nicht. Das ist mit dem Insolvenzverwalter so abgesprochen.“ Bezüglich der „Altlasten“, die den Betrieb „überraschend“ getroffen hätten, erklärt er: „Dass der zwei Millionen-Kredit nicht verlängert wurde, hat mich tatsächlich überrascht.“ Das sei bis dato kein Problem gewesen. Dass diese Kreditschuld schon früher für Entlassungen verantwortlich gemacht wurde, sei ihm nicht bekannt. „Das steht in keinem Protokoll. Gründe dafür waren strukturelle Anpassungen an veränderte Marktlagen.“ Auch dass die Kassen leer seien, sei so nicht richtig. „Es geht bei einer Firma nicht immer darum, was jemand auf dem Konto hat“, meint Janssen. Außenstände und andere Verbindlichkeiten seien in jedem Geschäftsbetrieb normal. „Wir waren liquiditätstechnisch nicht anders aufgestellt, als in den Jahren zuvor“, führt Janssen an, er habe seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts mehr mit dem operativen Geschäft zu tun. Auf der Weihnachtsfeier habe er zudem davon berichtet, dass der Gesellschafter investiert habe – und zwar in Lagerbestände. Dass noch mehr folgen solle, sei nicht richtig. Richtig sei allerdings, dass die Investorengruppe, die er vertrete, sich nicht finanziell eingebracht habe. Es seien mehrere Faktoren, die zur Insolvenz geführt hätten: Der Markt sei noch stärker unter Druck geraten, die Dollarpreisentwicklung habe für eine Verteuerung der Waren im Einkauf von 30 Prozent gesorgt. Und dass der „Altlastkredit“ nicht verlängert wurde – die Ursache dafür beruhe auf „möglichen Themen in der Gesellschafterkulisse, die ich nicht kenne und nicht bewerten kann“.
(Quelle:
Lauterbacher Anzeiger)